Modehund Schweißhund

Modehund Schweißhund

Was sind Schweißhunde für Jagdhunde? Es sind alte, hochspezialisierte Rassen. Ihre einzige Aufgabe besteht darin, krankes, verletztes Wild am langen Riemen nachzusuchen, damit es erlöst werden kann. Im Regelfall wird Wild auf der Jagd tödlich getroffen, manchmal läuft es auch noch bis zu 200m bevor es zusammenbricht, so wie ein geköpftes Huhn noch flattert. Sterben dauert einfach einen Moment, die Vorgänge im Körper stoppen nicht unmittelbar. Diese „Bergehilfen“ werden zwar bei Bedarf auch von Schweißhunden gemacht, sind aber nicht ihr Haupteinsatzgebiet. Der Spezialist ist gefragt, wenn die Verletzung nicht oder nicht sofort tödlich ist, sei es durch einen Verkehrsunfall oder einen schlechten Schuss. Selbige passieren guten Jägern ausgesprochen selten, viele brauchen über Jahre keinen solchen Hund als Hilfe. Damit wird auch deutlich, dass diese Rassen nichts für den Durchschnittsjäger sind. Ihre Hundeführer stellen sich und den Hund in den Dienst anderer Jäger. Sie opfern viel Zeit, um den Hund sehr gut auszubilden und auf hohem Trainingsniveau zu halten. Und danach brauchen sie viele Einsätze, damit der Hund in der rauen Praxis zum Meister heranreift. Erschwerte Suchen können am Riemen über Kilometer gehen, das Wild kann noch leben und fliehen, dann muss der Hund es abgeleint so scharf hetzen, dass es sich stellt. Nun darf der Hund nicht nachlassen, damit der Hundeführer Zeit hat aufzuschließen und es zu erlegen. Der Mensch muss also körperlich fit und zeitlich sehr flexibel sein, damit er immer parat steht, wenn ein Einsatz kommt.

Diese Hunde werden von Spezialisten für Spezialisten gezüchtet. Einen Hund aus Leistungszucht bekommt nur, wer einem Zuchtverband des Internationalen Schweißhundeverbands (ISHV) angehört. Mitglied wird nur, wer dem geplanten Welpen später auch ausreichend Arbeit garantieren kann. Forstleute, Berufsjäger, Jäger, die sich einen „Kundenstamm“ bereits mit einer anderen Rasse gebildet haben, die von ihrer Kreisjägerschaft unterstützt werden oder die von einem anderen Schweißhundeführer vor Ort aufgebaut werden. So ist sichergestellt, dass möglichst viele der Nachkommen sich selber beweisen können und somit erneut nachweislich leistungsstarke, einsatztaugliche, gesunde Hunde in die Zucht gehen. Gleichzeitig macht es auch keinen Sinn, überproportional viele Spezialistenteams an einem Standort zu haben, denn die Arbeit bleibt die gleiche, muss aber für alle reichen. Gut wird ein Hund ab 50 Einsätzen aufwärts im Jahr, je mehr je besser. Natürlich sorgt diese rigide Vergabepraxis dafür, dass den Schweißhund ein Hauch des Exklusiven umweht. Doch wem es um die Sache geht, der versteht auch, dass es nicht zielführend sein kann, flächendeckend Schweißhunde mit gerade mal 10 bis 20 Einsätzen zu haben.

Wer das nicht versteht, der sucht dann nach anderen Quellen, statt entweder die Geduld aufzubringen, die Zuchtvereine doch von seiner Tauglichkeit zu überzeugen oder eine andere ebenfalls geeignete Rasse für seinen geringeren Bedarf zu wählen, wie z.B. Bracken, aus denen die Schweißhunde hervor gezüchtet wurden und deren Einsatzgebiet schon immer auch die Nachsuche war.

Die alternativen Quellen können sein:

FCI-Zwinger aus dem Ausland, die nicht dem ISHV angehören. Hier liegt das Augenmerk meist deutlicher beim Ausstellungswesen als bei der Leistungszucht. Trotzdem sind diese Hunde regulär ausreichend veranlagt und werden bei entsprechender Führung und Einsatz auch rassetypische Leistung bringen. Sie sind zu den Verbandsprüfungen des JGHVs zugelassen, aber nicht zu den Prüfungen des Verein Hirschmann (VH) oder Klub für bayerische Gebirgsschweißhunde (KBGS).

Weit mehr Hunde stammen aber aus deutsche Dissidenzvereinen (meint nicht dem VDH angeschlossen). Hier kann jeder sein eigenes Süppchen kochen, Vereinsgründung ist kein Hexenwerk. Was da dann gezüchtet wird, mit welchem „Material“, mit welchem Anspruch, mit welchem Ziel, das unterscheidet sich gravierend. Das geht von engagierten Nachsucheführern, die ihre Hunde umfassend ausbilden und im Verein vernünftig durch „unabhängige“ Richter prüfen bis zu Gruppen, wo es möglich ist, dass jemand mit dem Prüfungsobmann und oder Richter direkt verwandt ist oder dieser den Hund selber gezogen hat bzw. den Deckrüden besitzt oder gar alle Posten in Personalunion stellt – klingt wenig überzeugend. Ebenfalls merkwürdig, wenn Verbände mit „Papieren“ werben, sogar darauf aufmerksam machen, dass es „gefälschte FCI Siegel“ gibt, die Züchter aber selber regelmäßig FCI-Hunde aus dem Ausland auf VDH-Schauen präsentieren, wo ihre eigenen Produkte gar nicht zugelassen sind (bzw. nur, wenn sie vorher beim zuchtbuchführenden Verein im VDH für mehrere hundert Euro phänotypisiert und mit einer Registerahnentafel ausgestattet wurden). Auch Zuchtstätten mit mehreren Schweißhunden, die alle “im ständigen jagdlichen Einsatz“ stehen, sollten einen Interessenten hellhörig werden lassen. Extrem gefragte Nachsucheführer haben vielleicht zwei ähnlich alte Hunde parallel im Einsatz, damit sie die vielen anfallenden Arbeiten erledigen können, ohne die Hunde auszulaugen. Das heißt aber keinem weiteren Broterwerb nachgehen zu müssen. Vielleicht finden sich dort auch noch ein Senior und ein junger Nachwuchshund. Dann sind es vier, alles darüber ist mehr als kritisch zu hinterfragen. Auch wenn jemand argumentiert, dass Frau und Kinder auch alle einen Jagdschein haben und ebenfalls alle ständig suchen.... ergibt das immer noch keinen Stall voll Schweißhunde, denn so schlecht schießt die Jägerschaft nicht.

Aufgekommen ist diese Massenvermehrung durch die gestiegene Nachfrage. Die Vergabepraxis der VDH-Vereine macht die Rasse wie erwähnt ungewollt exklusiv und mancher meint, ein Schweißhund sei edler, besonders im Vergleich zu allen anderen Jagdhunden – dabei ist deren Arbeit ebenso wichtig und anerkennenswert. Aber wenn Mensch etwas partout will, dann spielt Geld eine untergeordnete Rolle, da darf der Schweißhund ohne FCI-Papiere locker über 50% und mehr teurer sein als der mit ISHV-Papieren. Das haben Geschäftemacher natürlich bemerkt. Plötzlich tauchten in den Kursen der Kreisjägerschaften immer mehr Jäger mit solchen Tieren auf. Leider oder Gott sei Dank, je nachdem wie herum man es betrachtet, sollten aber schon zu Beginn der Modewelle die wenigsten dieser Tiere ernsthaft nachsuchen – „Nein, ich brauche den Hund nur für mich!“ Bleibt fürs Wild zu hoffen, dass der Jäger kein so schlechter Schütze ist, dass er den Hund tatsächlich selber auslastet. Ein paar wenige sind echte Enthusiasten, die „beim Kauf nicht richtig aufgepasst haben“, liegen schon Erfahrungen vor, entsprechend auch Kunden, können aus diesen Hunden durchaus auch zuverlässiger Helfer werden. Wirklich dramatisch wird es, wenn jemand ohne Erfahrung und ohne „Lehrmeister“ meint, er stemmt das Thema erschwerte Nachsuche autodidaktisch, sich überschätzt und an Arbeiten wagt, die das Gespann nicht leisten kann. Oder wenn er anschließend Aussagen tätigt wie „das wird das Tier ausheilen“ oder „ist nicht zu bekommen“, ohne zu ahnen, was ein wirklich gutes Gespann kann. Übel, wenn der beauftragende Schütze nicht weiß, dass dieses Gespann gar kein Profi ist, trotz professionell erscheinender Ausrüstung.

Nachdem die ersten papierlosen Hunde unters Volk gebracht waren, war es nur noch eine Frage der Zeit, dass auch mit diesen mal eben „nur ein Wurf“ gemacht wurde. Und mittlerweile ist es auch für Nichtjäger völlig problemlos, so einen Hund zu erwerben. Die Kleinanzeigen sind voll von Schweißhundwelpen.

Bei den Nichtjägern entstand der Run auf diese Rassen mit dem Mantrail-Boom. Bloodhounds, die Personenspürhunde schlechthin, sind groß, schwer und stark, das macht das Handling ihres Dickschädels nicht einfacher. Dazu der gewöhnungsbedürftige Bloodhound-Slobber – was liegt näher, als auf die „handlichen“ Schweißhunde auszuweichen?

So wichtig Menschenrettung ist, bei der schier unendlichen Masse an privaten Rettungshundlern ist kaum zu eruieren, wer diesen Job ernsthaft und ausdauernd betreibt – für die Zucht sind die dorthin gegebenen Hunde so oder so verloren und das sollte bei einer eher kleinen Population dringendst vermieden werden. Daher gehen Welpen aus ISHV-Leistungszucht nur sehr sporadisch in Mantrailerhände und dann ausschließlich zu den diensthundhaltenden Behörden. Die privat trailenden Schweißhunde sind zu 99,9% aus anderen Quellen. Mit der Verbreitung in der RH-Szene kamen die Tiere dann in den Fokus der allgemeinen Hundemagazine und damit in den der reinen Familienhundhalter. Ein Blick in die passenden Facebookgruppen bestätigt diese Entwicklung.

Taugt der Schweißhund denn als Familienhund? Je weiter er von der Leistungszucht weg ist, desto wahrscheinlich kann man das mit ja beantworten. Denn welche Hunde fallen aus der offiziellen Zucht oder werden nach erfolgter Ausbildung doch noch abgegeben? Regulär sind es „Mängelexemplare“ - mangelnde Wildschärfe, mangelnder Fährtenwille, mangelnde Fährtensicherheit, Probleme mit der Schussfestigkeit... aber möglicherweise auch gesundheitliche Mängel, die dem intensiven Arbeitseinsatz entgegen stehen. Letzteres sollte keinesfalls vermehrt werden, aber auch da sieht mancher aus Geldgier drüber hinweg. Ersteres ist für Nichtjäger geradezu ideal. Bloß dass Mendel manchmal seine eigenen Wege geht und für Überraschungen gut ist.

Für den ernsthaften Rettungshundler sollten solche Hunde eigentlich keine Option sein. Für sie sollte, ebenso wie für den ernsthaften Nachsucheführer, die wahrscheinliche Leistungsfähigkeit und Gesundheit an erster Stelle stehen – für mich würde das heißen, die Quelle kann im Fall Rettungshund nur ein FCI-Zwinger mit allen Gesundheits-, Prüfungs- und Arbeitsnachweisen sein. Allerdings bekommt man dort einen auf Wild vorgeprägten Welpen, der möglicherweise eine enorme Wildschärfe entwickelt. Das macht das Trailen außerhalb bebauter Gebiete oder bei höherem Katzenaufkommen unter Umständen schwierig. Ebenfalls problematisch kann sich die rassetypische Zurückhaltung gegenüber Fremden bemerkbar machen. Mit entsprechendem Bedacht sollten Zwinger, Verpaarung und Welpe gewählt werden. Dazu das Problem der Sprachbarriere und evtl. der Entfernung zum eigenen Wohnort, da kann ein Wurf ohne Papiere dafür in Deutschland liegend schon verlockend sein. Doch schon bei ISHV-Hund x ISHV-Hund aber eben ohne Papiere wäre ich aus Erfahrung skeptisch. Denn wie konnte es passieren, dass diese Hunde bei Leuten außerhalb diese Verbandes stehen, was stimmt mit denen nicht? Mein Exemplar aus einer solchen Dissidenzverpaarung ist unglaublich eng gezogen, da wiederholen sich mehrere Ahnen mehrfach in der Ahnentafel und der Deckrüde hat sogar einen Zuchtsperrvermerk im Papier, was ich mangels Sprachkenntnis aber nicht erkennen konnte. Glücklicher Weise war mein Exemplar auch dank reichlich Praxis sehr leistungsstark, aber „gesegnet“ mit OCD, Mitralklappeninsuffizienz und einer Autoimmunerkrankung. Das kam nur deshalb nicht negativ zum Tragen, weil nach einem Unfall mit Schwarzwild nahezu alle anfallenden Hatzen von unserem Loshund (quasi der Bodyguard für den suchenden Hund) übernommen werden mussten.

Daher kam als Nachfolger auch nur ein Hund aus der Leistungszucht in Frage. Dort habe ich die höchste Wahrscheinlichkeit (natürlich auch keine Garantie), einen Welpen mit allen wichtigen Anlagen zu bekommen und es gibt nach Ablage der Vorprüfung auch in keinen Bundesland bezüglich einer Anerkennung als revierübergreifendes Gespann Einschränkungen.

Nur meine Meinung. Ich wünsche trotzdem jedem viel Freude an und mit seinem Schweißhund, egal wo dieser nun her stammt, hoffe aber, dass der eine oder andere Interessent jetzt etwas genauer überlegt, ob es diese Rassegruppe sein muss und wenn ja woher...